Promenadologen und Promenadologinnen sehen Städte und Landschaften mit anderen Augen, um damit einen Beitrag zur Gestaltung und Entwicklung unserer Umwelt zu leisten.
Die sogenannte "Spaziergangswissenschaft" (Promenadologie, engl. "Strollology") erforscht also nicht die Kunst des richtigen oder falschen sonntäglichen Flanierens, sondern ist ein Instrument für gestalterische, planerische und soziokulturelle Aufgabenstellungen.
Begründet wurde die Promenadologie von Lucius Burkhardt, der ab 1973 an der Gesamthochschule Kassel als Professor für Sozialökonomie urbaner Systeme lehrte. Das 2006 im Martin Schmitz Verlag herausgegebene Buch "Warum ist Landschaft schön? - Die Spaziergangswissenschaft" fast verschiedene Essays Burckhardts zusammen. In den drei Kapiteln "Landschaft", "Gärten und Gartenkunst" sowie "Spaziergangswissenschaft" führt das Buch in die Grundlagen der Disziplin ein. Die enthaltenen Texte sind 20 bi 30 Jahre alt, zum Teil noch älter, haben aber nichts an Aktualität verloren: "Die Landschaft aber verändert sich offensichtlich. Wenn wir die Landschaft schützen wollen, so wissen wir nicht was wir festhalten sollen. Nicht einmal historischen Karten oder alten Photographien ist zu trauen: Vielleicht hat man ja früher nur das photographiert, was man damals für typisch gehalten hat. Wir haben mit zwei gleitenden Phänomenen zu tun:

"Die Realität verändert sich und zugleich der Begriffsapparat, der sie bestimmen soll."

Burkhardt geht es um das Wiederentdecken des Betrachtens und des Hinschauens, das Erschließen neuer Blickwinkel, das Einüben neuer Sehweisen und das Aufdecken der Zusammenhänge von Zeit und Raum.


Dieser Grundgedanke findet sich auch in der Victor Hugo Urban Sktech Voyage 2.0 der Urban Sketchers Rhein-Main, deren Bilder aktuell in Markt 1 ausgestellt werden:
Webseite von Markt 1.


Und auch das Projekt "After Turner", eine Kooperation des Fotoprojektes "The 7th Day" mit dem Medienkünstler Jürgen Czwienk und einem Kunstkurs des Wilhelm-Hofmann Gymnasiums, das an den historischen Malstandorten William Turners mittels kleiner Camera Obscuras vom Licht gezeichnete Bilder erzeugte, bricht mit gewohnten Sichtweisen auf und Wahrnehmungen von Landschaft.
Informationen zu Camera Obscura


Die außergewöhnlichen Fotografien werden in diesem Jahr noch in der Galerie Markt 1 zu sehen sein.

Sowohl die Galerie "Markt 1" als auch die genannten Projekte sind Teil des Programms LandKULTUR, mit dem das Bundeslandwirtschaftsministerium künstlerische und kulturelle Teilhabe im ländlichen Raum fördert.
Ebenfalls erhält die Akademie LandPartie des Spaziergangsforschers Bertram Weisshaar, einst Schüler von Burckhardt, für ihr Projekt "STADTMENSCH TRIFFT LANDMENSCH" eine LandKULTUR-Förderung.
Das Projekt bringt Menschen aus Dorf und Stadt zusammen, indem die Städter gemeinsam mit Menschen aus den besuchten Regionen durch Landschaft und Dörfer wandern und sich dabei über das Beobachtete und gemeinsam Erlebte austauschen.
Dabei werden nicht nur die Sahnestücke, sondern auch die Rückseiten, Hinterhöfe und unschönen Seiten besucht.
Die Beobachtungen und Gespräche während der Spaziergänge werden aufgezeichnet, aufbereitet, illustriert und schließlich publiziert. Informationen im Web.


Sicherlich ein spannender Ansatz, die Promenadologie im Mittelrheintal auszuprobieren.


Vollständige Manuskripte zum Download auf DLF "Essay und Diskurs"
Querfeldeindenken mit Lucius Burckhardt



Lucius Burckhardt „Warum ist Landschaft schön? Die Spaziergangswissenschaft“. Martin Schmitz Verlag.


Buch Promenadologie


Empfehlung von:

Nico Melchior, Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal


Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal


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